Carmen – Deutsche Oper Berlin
Oper in vier Akten Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach der Novelle von Prosper Mérimée Uraufführung am 3. März 1875 in Paris.
Überarbeitete Wiederaufnahme am 08. März 2009. Überarbeitung einer Produktion aus dem Jahr 1979
Ich blickte auf und sah sie, ein Freitag war’s, ich werd ihn nie vergessen. [Prosper Mérimée]
Die Begegnung eines Soldaten mit einer Tabakarbeiterin. Eine Akazienblüte, die sie wirft, bannt ihn. Er liebt besinnungslos, fordert und will ganz besitzen. Sie lebt den Augenblick, bedingungslos, in vollen Zügen. Nichts hält sie fest, das Auge hat schon den Stierkämpfer im Visier. Ihren grenzenlosen Freiheitswillen erträgt er nicht. Seinem Begehren völlig ausgeliefert, muss er sie auslöschen und sich selbst mit ihr.
Ebenso banal wie existenziell ist die Geschichte der Begegnung von Carmen und Don José, deren exzessive erotische Spannung sich aus dem speist, was der Liebe zum Verhängnis wird. Der Moment absoluter Hingabe und totaler Freiheit ist in einem labilen Gleichgewicht und in seiner bewussten Wahrnehmung schon dem Zerfall anheim gegeben. Überwältigung, Hingerissenheit, Begehren wollen festhalten, besitzen, bewahren und zerstören die Erotik der voraussetzungslosen, freien Bejahung. Eine Figur wie Carmen, die dieser Freiheit gewachsen ist, die Versicherung weder zu geben bereit ist, noch zu bekommen verlangt, die lieben und leben will im vollen Bewusstsein des Risikos ihrer Existenz, ohne jede Aussicht auf Transzendenz oder Erlösung, beunruhigt, empört, ängstigt und fasziniert zugleich. Bizet ist es gelungen, diesen auf der Novelle von Prosper Mérimée aus dem Jahr 1845 beruhenden Stoff mit den Mitteln einer Opéra comique zu erzählen, die musikalisch das gesamte Spektrum von Leichtigkeit, Alltäglichkeit, Albernheit und Härte, Verführung und Spiel, Grausamkeit und Schicksalhaftigkeit einsetzt. Eine bürgerliche Oper gefährdet die bürgerliche Moral. Unerhört scheint diese Tragödie, in der der Mensch es wagt, spielerisch, lässig und arrogant – sich seiner Unterlegenheit bewusst – gegen den Tod anzutreten.
Die Wahrheit ist – unerhörtes Paradoxon – dass ich nicht aufhöre zu glauben, dass ich geliebt werde. Ich halluziniere, was ich begehre. Jede Wunde rührt weniger von einem Zweifel her als von einem Verrat: denn verraten kann nur, wer liebt, eifersüchtig sein nur, wer geliebt zu werden glaubt: der andere wird gelegentlich seinem Wesen untreu, das darin besteht, mich zu lieben, und eben darin liegt der Ursprung meiner Leiden. Ein Wahn existiert jedoch nur, wenn man daraus erwacht [es gibt lediglich retrospektive Wahngebilde]: eines Tages verstehe ich, was mir zugestoßen ist: ich glaubte darunter zu leiden, nicht geliebt zu werden, und dabei litt ich, weil ich glaubte, es doch zu werden; ich lebte in dem komplizierten Widerspruch, mich geliebt und zugleich verlassen zu wähnen. [Roland Barthes]
Termine im September:
Freitag 25.09.2009
19:30 Uhr
Carmen
Deutsche Oper Berlin
Mittwoch 30.09.2009
19:30 Uhr
Carmen
Deutsche Oper Berlin
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