Einzelausstellung von Thomas Demand in Berlin
Thomas Demand (geb. 1964 in München), einer der einflussreichsten und führenden Künstler unserer Zeit, wird in der Neuen Nationalgalerie ab September 2009 eine umfassende Einzelausstellung zeigen. Es ist die bislang größte Präsentation seines Werkes hierzulande, während ihm beispielsweise in London, New York und Zürich bereits umfängliche Ausstellungen gewidmet wurden. Die Ausstellung Nationalgalerie ist jedoch keine retrospektiv angelegte Überblicksschau, sondern widmet sich dezidiert einem Thema, vielleicht dem wichtigsten in Demands facettenreichem Werk: Deutschland. Somit ist auch der Zeitpunkt dieser Ausstellung nicht zufällig gewählt, sondern fällt mit den Jubiläen zweier grundlegender historischer Ereignisse in der deutschen Geschichte zusammen: der Gründung der Bundesrepublik Deutschland vor 60 Jahren und dem Mauerfall vor 20 Jahren.
Die rund 40 Arbeiten, darunter ganz neue und noch nie gezeigte Werke, beschäftigen sich mit gesellschaftlichen und geschichtlichen Ereignissen seit 1945 und deren unmittelbarer Vorgeschichte. Dabei nehmen die Bilder Demands aber nicht nur auf einschneidende politische und gesellschaftliche Begebenheiten Bezug oder auf wichtige, wiedererkennbare Schauplätze, sondern thematisieren auch das Private und Nebensächliche, das in gleichem Maße kaleidoskopischer und charakteristischer Teil einer bestimmten Zeit und
Gesellschaft ist. Zwar ist die Fotografie das Medium, in dem Thomas Demands Arbeiten erhalten bleiben und ausgestellt werden, doch geht seine Arbeitsweise über die Fotografie hinaus. In der Regel dienen ihm Bildvorlagen aus den Massenmedien als Ausgangspunkt für den Bau einer raumgreifenden Skulptur aus Papier und Pappe, die die zweidimensionale Abbildung in die Dreidimensionalität übersetzt. Diese (Re)konstruktion einer bestimmten räumlichen Situation wird dann wiederum mittels Großbildkamera und großer Sorgfalt zu einem zweidimensionalen Bild, bevor der Künstler die papierenen Skulpturen zerstört. In solch konzeptionellem Sinne arbeitet Thomas Demand also genauso skulptural wie fotografisch. Spezifische Spuren des abgebildeten Geschehens werden im dreidimensionalen, lebensgroßen Nachbau systematisch eliminiert, ebenso wie die auf den Ursprungsfotografien vorhandenen Menschen. Zurück bleiben Phantombilder von „Tatorten“ abwesender Ereignisse, die uns genauso bekannt erscheinen, wie sie oft ungreifbar bleiben. Die Arbeiten Thomas Demands werden durch zur Ausstellung entstandene Bildlegenden von Botho Strauß (geb. 1944 in Naumburg) begleitet. Doch handelt es sich nicht um Texte, die die Bilder erklären und ihre Dimensionen konkretisieren, sondern vielmehr weiter Schichtungen hinzufügen und durch ihre Eigenständigkeit neue Lesarten schaffen. Thomas Demands Werk lenkt unsere Aufmerksamkeit auf unser Rezeptionsverhalten gegenüber visuellen Medien und deren Einfluss auf die Strukturen unserer Erinnerung. Kondensiert und konzentriert sich das Erscheinungsbild einer Gesellschaft in einzelnen Schlüsselbildern? Wird es über solche Schlüsselbilder gespeichert und erinnert? Demands rekonstruktive Beschäftigung mit Bildern, die eine Bedeutung tragen oder zu
tragen scheinen, kreist auch um die bewusst wie unbewusst betriebene Selbstdarstellung einer Gesellschaft und ihre Veränderungen. Kaum ein Ort könnte für eine Ausstellung, die uns ein Panorama einer nationenbezogenen Ausstellungsort Geschichte vor Augen führt, passender sein als die große Glashalle der Neuen Nationalgalerie Mies van der Rohes.
Ausstellung
Thomas Demand
18. September 2009 – 17. Januar 2010
Neue Nationalgalerie
Potsdamer Straße 50
10785 Berlin
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