Orchesterfest
Bienvenue!
Zur Saisoneröffnung begeben wir uns auf eine »Tour de force« durch annähernd drei Jahrhunderte
französische Musikgeschichte.
Von nichts weniger als der Erschaffung der Welt weiß Jean Philippe Rameau in der Ouvertüre zu seinem Ballet
héroique »Zaïs« zu berichten. Nach diesem gewissermaßen globalen Entrée geraten sodann tatsächlich
Frankreich, Paris, das Gewirr seiner Straßen, letztlich eine Brücke und darauf zwei angeblich blinde Bettler in den
Fokus. Jacques Offenbach hatte die beiden zu Helden seiner ersten Opéra bouffe erkoren, die er 1855 in seinem
neu eröffneten Theater, den Bouffes-Parisiens, höchst erfolgreich zeigte. Nun werden sie den Großen Saal des
Konzerthauses bevölkern. Kleinformatige Klavierstücke vermitteln zwischen den Hauptwerken des Programms.
Harmlos sind sie keineswegs. Schon der Titel von Couperins »Le Tic-Toc-Choc ou Les Maillotins« hat es in sich:
Könnte »Tic-Toc-Choc« auf das Ticken einer Uhr anspielen, so waren »Les Maillotins« die Aufständischen, die
unter Charles IV. gegen zusätzliche Steuererhebungen protestierten, indem sie das Arsenal in Paris stürmten,
sich mit »Mailletons« (einer Art Doppelhammer) bewaffneten und damit die Steuereintreiber umbrachten. Als in
den wilden zwanziger Jahren ein Amerikaner namens George Antheil in Paris weilte und sich als »Bad Boy of
Music« seinen zweifelhaften Ruf erwarb, hatte er bei seinen skandalträchtigen Auftritten nach eigener Aussage
eine Pistole dabei, um sich gegebenfalls den Weg durchs Publikum frei zu schießen. Da heißt es also, in
Deckung zu gehen, wenn einige seiner Klavierstücke erklingen. Schon einige Jahre zuvor hatte Erik Satie mit
seinem Ballett »Parade« für Aufsehen gesorgt, im Gegensatz zu Rameaus Stück kein heroisches, sondern ein
(sur)realistisches Ballett, das auf dem Jahrmarkt spielt und Klänge aus dem wirklichen Leben einbezieht:
Schreibmaschine, Pistole, Glücksrad, Sirene, Nebelhorn … Ein Rezensent echauffierte sich dermaßen über das
Stück, dass sich der sanftmütige Erik Satie zu einer Entgegnung genötigt sah: »Herr und teurer Freund, Sie sind
ein Arschloch, zudem ein unmusikalisches.« In diesem Sinne: »Vive l’affront!«…
Wer die Eindrücke dieser »Tour de force« vertiefen möchte, kann im Musikclub erleben, wie Studierende der TU
Berlin das Fest mit der auszugsweisen Realisierung von Picassos Bühnenbild zu Saties »Parade«, mit Beiträgen
zu Jacques Offenbach, mit einem leibhaftigen Theremin-Spieler und mit Soiréen der Pariser Salons begleiten.
Während des gesamten Abends sind in den Foyers, auf der Freitreppe und auf dem Gendarmenmarkt Arbeiten
des Klangkünstlers Erwin Stache zu erleben. So werden eine Handvoll Kuckucksuhren die Marseillaise
anstimmen oder sportliche Geräte zum Training französischer Musik einladen. Und während zu später Stunde im
Großen Saal zum Tanz aufgespielt wird und vom Musikclub ein DJ Besitz ergreift, präsentiert das
Kammerensemble Neue Musik Klänge sowohl der klassischen Moderne als auch der Gegenwart.
1. Teil
Konzerthausorchester Berlin
Lothar Zagrosek
Vladimir Stoupel Klavier
Florian Hoffmann Tenor
Patrick Vogel Tenor
Georg Blüml Regie
Darius Milhaud »Marche Nuptiale«
Erik Satie »Parade«
George Antheil Fünf Préludes aus »La femme 100 têtes« für Klavier solo
Jean-Philippe Rameau Suite aus der Tragédie lyrique »Dardanus«
Francois Couperin »Le Tic-Toc-Choc, ou Les Maillotins« (aus Pièces de clavecin III)
Jacques Offenbach »Die beiden Blinden« – Bouffonerie musicale in einem Akt
2. Teil
Lothar Zagrosek probt mit dem
Publikumsorchester des Konzerthauses Berlin
Richard Wagner Vorspiel zum 1. Akt der Oper »Die Meistersinger von Nürnberg«
3. Teil
Werner-Otto-Saal
Kammerensemble Neue Musik Berlin
Pascal Dusapin »Laps« für Klarinette und Kontrabass
Ivan Wyschnegradsky Streichquartett Nr. 1 op. 13
Gérard Grisey Périodes (aus: Les espace acoustique)
4. Teil
Großer Saal
Casanova Society Orchestra
Musikclub
Aktionen der Technischen Universität Berlin
Das Orchesterfest ist ein Projekt des Konzerthauses Berlin im Rahmen von ohrenstrand.net.
ohrenstrand.net wird gefördert durch das Netzwerk Neue Musik und die Kulturverwaltung des Landes
Berlin.
Orchesterfest
27.08.09
19.30 Uhr
Konzerthaus am Gendarmenmarkt
Großer Saal
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